Stellungnahme des AWO-Fachverbandes Betreuungsangelegenheiten in Rheinland-Pfalz und dem Saarland zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung im Betreuungsrecht 2019

 

Wir begrüßen den nunmehr vorliegenden Entwurf zur längst überfälligen Anpassung der Betreuervergütung grundsätzlich. Allerdings bedauern wir sehr, dass im Vorschlag mehrere aus unserer Sicht wesentliche Eckpunkte nicht aufgenommen wurden und damit möglicherweise die Chance für eine nachhaltige Stabilisierung des Betreuungswesens verpasst wird:

 

·         Der vorliegende Entwurf sieht – auf der Grundlage eines für das Jahr 2021 prognostizierten Durchschnittswertes einer nicht auskömmlichen und praxisfernen Entlohnung - eine Erhöhung von theoretisch 17% vor. Selbst unter Berücksichtigung der Umsatzsteuerbefreiung unterschreitet der Betrag die Inflationsrate seit dem Jahr 2005 deutlich und noch erheblicher die tarifliche Lohnentwicklung.

 

·         Die in der Berechnung angenommene Entgeltgruppe wurde mit TVöD S12 angegeben. Tatsächlich sind für die verantwortungsvolle Aufgabe der Arbeit in Betreuungsvereinen andere Personalkosten zugrunde zu legen, damit die Qualität und die Kontinuität der Arbeit gewährleistet bleiben.

 

·         Die bei der Berechnung zugrunde gelegten Sachkosten entsprechen nicht der Realität. Diese sind pro Arbeitsplatz tatsächlich mindestens 1.000 EUR höher. Der Betrag ergibt sich insbesondere aus überproportional gestiegenen gewerblichen Mietpreisen. 

 

·         Außerdem ist kein Betrag für die betriebliche Altersvorsorge berücksichtigt!

 

·         Die ISG Studie hat festgestellt, dass sowohl Stundensätze als auch Stundenansätze angepasst werden sollten. Durch die Einführung eines Fallpauschalen-Systems wird dieser Gedanke nicht weitergeführt: Die Erhöhung von theoretisch 17% wird auf der Grundlage eines für 2021 angenommenen Arbeitgeber-Brutto errechnet. Dieser Wert unterschreitet ganz unzweifelhaft die Inflation. Folglich werden die Empfehlungen zu den Stundenansätzen im vorliegenden Entwurf nicht berücksichtigt. Diese werden zwar mit den Erhöhungsfaktoren nach Zeitaufwand dargestellt, allerdings finden diese Feststellungen keine bzw. allenfalls proportionale Berücksichtigung in der Vergütungstabelle.

Würden die Ergebnisse der ISG Studie umgesetzt, müsste die Vergütung unter Berücksichtigung sowohl der Stundensätze als auch der Stundenansätze um über 30% angehoben werden. Tatsächlich werden die Stundenansätze im Entwurf gar nicht mit einbezogen.

 

·         Die Stundensätze sollen um durchschnittlich 17% erhöht werden. Tatsächlich ergibt sich für viele Betreuungsvereine aufgrund der realen Daten der Betreuungsverhältnisse ein wesentlich geringerer Wert. Die langjährige Begleitung aufwendiger Betreuungen z.B. schwer psychisch beeinträchtigter Menschen wird (exemplarisch berechnet) nur mit 4,72% bis maximal 13,73 % berücksichtigt.

 

·         Die Intention des neuen Vergütungssystems, wenig aufwendige Betreuungen schlechter als bisher zu vergüten, ist nachvollziehbar. Allerdings sind gerade Mitarbeitende in Betreuungsvereinen häufig dazu bereit, einen großen Anteil der gesetzlichen Vereinsbetreuungen für schwer psychisch beeinträchtigte und überschuldete Menschen langfristig zu führen. Insofern verschiebt sich die Mischkalkulation deutlich. Sowohl bei den Betreuungsgerichten als auch bei den Betreuungsbehörden werden dadurch Ressourcen geschont.

Die neuen Vergütungssätze berücksichtigen den Aufwand für hohe Vermögen, für die Wohnraumverwaltung und für Erwerbsgeschäfte. In gleicher Weise sollte auch der erhöhte Aufwand und die erhöhte Verantwortung berücksichtigt werden, wenn ein Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB angeordnet ist oder Unterbringungen gem. § 1906 BGB verantwortet werden.

 

·         Es ist keine Dynamisierung der Pauschale im Entwurf vorgesehen. Dies ist zu kritisieren. Denn: Eine Dynamisierung würde dauerhaft für Planungssicherheit sorgen und keinesfalls einer Evaluation nach 5 Jahren entgegenstehen.

 

·         Die Berechnung der Vollzeit-Vereinsbetreuerstelle erfolgt auf der Datengrundlage eines für 2021 angegebenen Mittelwertes von 5 Jahren ab Inkrafttreten – also dem Jahr 2019. Danach „soll ab“ dem Jahr 2024 zunächst eine Evaluation erfolgen. Die letzten Evaluationen haben gezeigt, dass diese einen unbestimmten Zeitraum, mindestens aber 3 Jahre gebraucht haben. Daraus ergibt sich entweder die Forderung nach einem längerfristigen Mittelwert oder einer früheren Evaluation – oder eben der Einführung einer Dynamisierung!

 

Lahnstein im Februar 2019

 

 

AWO-Fachverband
Geschäftsführung
Heike Hartmann
Blücherstr. 19
56112 Lahnstein
Tel. 02621 - 926384
Fax 02621 - 926385
Email: awo-fachverband@hartmann-ludwig.de

 

www.fachverband-betreuung.de

 

Stellungnahme des AWO-Fachverbandes Betreuungsangelegenheiten in Rheinland-Pfalz und dem Saarland zur notwendigen Erhöhung der Stundensätze im Betreuungsrecht 2014

 

Die Betreuungsvereine haben eine ganz besondere Bedeutung bei der Umsetzung des Betreuungsrechts. Sie fördern, begleiten und bilden ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer (Familienangehörige und andere Personen) mit einzigartiger Expertise. Neben der Führung professioneller Betreuungen sichern sie damit die gesetzlich vorgesehene Versorgungsstruktur im Betreuungswesen. Sie haben eine außerordentliche Bedeutung für unsere moderne Gesellschaft im Zeichen der Demographie und sie sind ein wesentlicher Faktor im Bereich der Beratung und Unterstützung hinsichtlich vorsorgender Verfügungen.

 

Die bisherige gute Leistungserbringung und das hochqualifizierte Personal der Betreuungsvereine sind mit den alten  Pauschalen nicht mehr sicherzustellen. Die Anpassung der Vergütungssätze für beruflich geführte Betreuungen ist dringend erforderlich.

 

1.    Die pauschale Vergütung wurde im Jahr 2005 auf 44.- Euro pro Stunde (inkl. aller Auslagen für Sachkosten: Büro, Bürobedarf und Mobilität usw.) festgesetzt, seither jedoch nicht angepasst. Sie liegt weit unterhalb dessen, was Arbeitgeber in vergleichbaren Branchen vergütet bekommen.

Feststellung: Die Bezahlung entspricht nicht mehr dem Wert und der Qualität der erbrachten Leistung.

 

2.    Der reale Wertverlust von 2005 bis 2014 beträgt 16,36%. Quelle: http://www.finanz-tools.de/inflationsrechner-kaufkraftverlust.php. Seit 2005 wurden die Vergütungen der Betreuungsvereine nicht erhöht.

Die Tarifgehälter des TVöD haben sich im Zeitraum September 2005 bis August 2013 um 15,4 % erhöht zzgl. Einmalzahlungen. Hierbei sind die aktuellen Tarifverhandlungen noch nicht berücksichtigt. Die seit dem 1.7.2004 unveränderten Gebühren für Rechtsanwälte wurden zum 1.8.2013 zwischen 12 % und 19 % erhöht. Die Vergütungen für Sachverständige und Dolmetscher bei Gericht (auch für Zeugen und ehrenamtliche Richter), die seit dem 1.7.2004 unverändert waren, haben sich zum 1.8.2013 zwischen 15 % und 30 % erhöht.

 

Forderung: Bei einer Dynamisierung, die bei Einführung der Pauschalierung eigentlich vorgesehen war, müsste die Stundenvergütung nach dem diesjährigen Tarifabschluss bei 55 Euro in Stufe 3 der Stundensätze liegen. Die Vergütungen müssen zukünftig unbedingt an die Erhöhung der Reallöhne gebunden werden,  z.B. durch eine Koppelung an die Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes.

 

 

 

3.    Bei der Einführung des Betreuungsrechtes wurde die "persönliche Betreuung" als zentrale Forderung festgeschrieben. Die aktuelle Refinanzierung erzwingt ähnliche hohe Fallzahlen wie im alten Vormundschaftsrecht. Damit werden die sinnvollen und erwünschten Regelungen nach einer persönlichen Betreuung "ad absurdum" geführt.

Forderung: Die Refinanzierung muss der sinnvollen gesetzlichen Vorgabe nach einer "persönlichen Betreuung" Rechnung tragen.

 

4.    Bei den derzeitigen Personal- und Betriebskosten müssten mit dem aktuellen Stundensatz ca. 160 pauschalierte Monatsarbeitsstunden erbracht werden, um kostendeckend zu arbeiten. Die tatsächliche durchschnittliche Monatsarbeitszeit beträgt abzüglich Urlaub, Krankheit und Fortbildungen im Durchschnitt nur ca. 130 Monatsarbeitsstunden (Quelle: http://www.schiering.org/arhilfen/arzeit/berechnungsgrundlage.htm). Dies bedeutet eine zusätzliche Finanzierungslücke für Arbeitgeber im Betreuungswesen. Der Druck auf die Mitarbeiter wächst daher mit jeder weiteren tariflichen Lohnsteigerung.

Forderung: Die Vergütung muss sich an den Realitäten orientieren. Dies erfordert einen deutlich erhöhten Stundensatz.

 

5.    Die bei den Wohlfahrtsverbänden angegliederten Betreuungsvereine verfügen nicht über Kapitalvermögen. Daher wurden die o.g. Finanzierungslücken, die sich seit 2005 aufbauen, in den letzten Jahren durch das Ausbleiben dringend notwendiger Investitionen in notwendige Anschaffungen aufgefangen.

Forderung: Aufgrund des Investitions- und Modernisierungsdrucks müssen deutlich höhere pauschalierte Stundenvergütungen verhandelt werden.

 

6.    Die aktuelle Finanzierungssituation hat bei Betreuungsgerichten und Betreuungsbehörden dazu geführt, dass sich nicht mehr genügend  professionelle Fachkräfte zur Übernahme von Betreuungen bereiterklären. In letzter Konsequenz droht, dass die kommunalen Betreuungsbehörden als Betreuer bestellt werden müssen, um den Bedarf zu decken. Dies kann weder im Sinn der bedürftigen Menschen, schon gar nicht aber im Sinn der Kommunen sein. Als Betreuungsvereine der AWO können wir nicht akzeptieren, dass Verfahren hingeschleppt werden und so bedürftigen Menschen nicht mehr rechtzeitig adäquat geholfen werden kann.

Die Politik sollte das gute und gelungene Reformwerk des Betreuungsrechts kontinuierlich weiterführen und zukunftssicher gestalten. Es ist höchste Zeit, die notwendigen Schritte auf den Weg zu bringen und die längst fällige Anpassung und Sicherstellung der Kostenstrukturen durchzuführen.

 

Lahnstein, im April 2014

 

Termin der AWO zum Thema Stundensätze in Berlin

Vertreter des AWO-Fachverbandes und des AWO-Bundesverbandes führten am 11.09.2014 in Berlin Gespräche mit Abgeordneten der SPD und den GRÜNEN zur notwendigen Erhöhung der Stundensätze im Betreuungsrecht.

 

 

Der Vorstand des 'AWO-Fachverbands Betreuungsangelegenheiten' trifft Abgeordnete der SPD-Fraktion in Berlin. (v.l.n.r.: Dr. Holger Ließfeld (Vorstand Awo Fachverband), Dr. Matthias Bartke (MdB), Burkhard Lischka (MdB), Sabine Bätzing-Lichtenthäler (MdB), Brigitte Döcker (Awo Bundesvorstand), Rudi Frick (Präsidium Awo Bundesverband), Heike Hartmann (Geschäftsführerin Awo Fachverband), Hermann Schulze (Vorstand Awo Fachverband)